Kupferstich Muri-Gries

Der Kupferstich in Tirol. Eine Spurensuche in der Klosterbibliothek Muri-Gries
Manfred Schmidt

Aus: Kulturelemente. Zeitschrift für aktuelle Fragen, Nr. 17 [Okt. 1999], S. 4-6

Die folgenden Abbildungen sind ausnahmslos Büchern entnommen, die sich in der Klosterbibliothek Muri-Gries befinden. Es wurde also nicht versucht, eine bebilderte Geschichte des Kupferstiches in Tirol zu zeichnen (siehe dazu Hochenegger: Die Tiroler Kupferstecher), vielmehr bildete der Bestand der Klosterbibliothek die Grundlage für die Auswahl der Künstler und ihrer Abbildungen.
Das Handwerk des Kupferstechers entwickelte sich in Tirol erst sehr spät. Wie in anderen Ländern auch, waren es vor allem Goldschmiede oder Siegelschneider, die diese neue Art der vervielfältigbaren Darstellungsweise für sich entdeckten. Diesen frühen Arbeiten ist folglich auch zu eigen, dass sie sich zwar durch handwerkliches Geschick auszeichnen, aber darüber häufig das gefällige, künstlerische Element ins Hintertreffen gerät.
Für einen Großteil des 16. Jahrhunderts lässt sich gar kein Kupferstecher in Tirol nachweisen. Dies lässt sich wohl damit erklären, dass kein Landesherr in diesem Zeitraum seinen ständigen Sitz in Tirol hatte, und insofern keinerlei Förderung möglich war, die zu diesem Zeitpunkt nötig gewesen wäre. Als Ferdinand II. 1562 die Regierung übernimmt, ist er mehr oder weniger gezwungen, sich für seine Projekte an ausländische Künstler zu wenden. In diesem Zusammenhang entstehen eine Vielzahl von Auftragsarbeiten für die sich dann auch bedeutende ausländische Künstler eine Weile in Innsbruck aufhalten, wie etwa Dominicus Custer.

Abb. 1: Andreas Spängier: Titelblatt zu: Schwab, Theobald: GedenchZaichen der liebe Gottes. Innsbruck: Paur, 1634.
Abb. 2-4: Andreas Spängier: Titelblatt zu: Guarinonius, Hippolytus: Triumph Cron Marter Und
Grabschrifft deß Heilig-Unschuldigen Kindts Andreae Von Rinn … Innsbruck: Wagner, 1642.

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Als ältester Berufskupferstecher Tirols, dessen Herkunft und Tätigkeit sich annähernd bestimmen lässt, gilt Andreas Spängier (1589 – ca. 1670). Er ließ sich, nach einer Lehrzeit in München bei Hans Schmischek, in Schwaz nieder und blieb dort bis zum Ende seines Lebens ansässig. Er schuf eine ganze Reihe von Titelblättern, darunter auch das zu Hippolyt Guarinonis „Triumph Gren des hl. Andreas von Rinn“, (Innsbruck, 1642). Die Ansicht zeigt den Knaben zwischen St. Norbert und dem Riesen Haymon. Unten sieht man das Stift Wilten. Auf insgesamt fünf gestochenen Blättern zeigt er uns Bilder aus der Leidensgeschichte des Kindes. Das Schlussblatt zeigt eine verklärte Darstellung der „Märtyrerkinder“ Andreas von Rinn und Simon von Trient.

Für seine Verhältnisse, in einer Provinzstadt lebend, unberührt von den Fortschritten seiner Zeit, leistete er Gutes. Hochenegger kommentiert: „Nicht mit künstlerischem Schwung, mehr verstandesmäßig komponierend, aber mit gutem Geschmack arbeitend, hat er als Kartenstecher und Buchillustrator einige Werke hinterlassen, die seinem Namen Ehre machen.“

Abb. 5: Hans Sadeler: „Die Stigmatisation des hl. Franciscus“, Abb. zu: Sifrid, Henricus: Heilig Seraphisch Lieb brinendes Hertz. Innsbruck: Mayr, 1631.
Da es außer Spängler zur damaligen Zeit kaum nennenswerte einheimische Kupferstecher gab, hatte sich auch weiterhin ausländischen Künstlern Arbeit geboten. Einer von ihnen war Hans Sadeler (ca. 1590 -1665), Mitglied einer damals hoch berühmten und geschätzten Künstlerfamilie. Sie stammte ursprünglich aus Antwerpen, zerstreute sich aber im Laufe einiger Generationen in verschiedene Teile Europas.
Etwas berühmter als Hans Sadeler waren seine Onkel Egidius, einer der besten Stecher seiner Epoche, und Raphael, die auch für den Kaiser und den bayerischen Kurfürsten arbeiteten. In den Jahren 1624 bis 1630/31 war Hans Sadeler im Dienst Erzherzog Leopolds in Innsbruck tätig. Er ging dann jedoch wieder zurück nach München, wo er 1665 verstarb. Bei ihm erkennt man eine Vorliebe für zierliche Feinarbeiten. Er blieb Zeit seines Lebens vom manieristischen Stilempfinden seiner berühmten Verwandten geprägt.

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Abb. 6: Bartholomäus Kilian: Abbildung zu: Troyer, Fortunatus: XLV. Discursus, Oder Fünff und viertzig Sinn-Reden und Tittel/ Uber Unser Lieben Frawen Letaney zu Loreto. Innsbruck: Wagner, 1680. Als Zeichner fungierte Johann Baptist Hueber (gest. 1690), Dombenefiziat aus Neustift.
Bartholomäus Kilian (1630 – 1696) ist der Neffe von Lukas Kilian, dem bedeutenden Augsburger Kupferstecher. Auch Bartholomäus stach gefällige Bilder, u.a. auch ein gutes Portrait Erzherzog Leopolds. Er stellte auch eine Vielzahl von Wallfahrtsbildchen sowie Thesentafeln (das sind Plakate großen Umfangs, die bei akademischen Disputationen ausgegeben wurden) her.

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Johann Baptist Jezl
Von Johann Baptist Jezl (1610 – 1666) lässt sich leider kein Stich im Kloster Muri-Gries finden, trotzdem sei er hier kurz erwähnt, weil er in seiner künstlerischen Schaffenskraft dem tüchtigen, aber spröderen Spängler, bei dem er wohl auch lernte, überlegen war. Es gelang ihm, und das spricht für seine Qualität, sich durch die Kupferstecherei ein erträgliches Einkommen zu sichern, und in späteren Jahren sogar einen eigenen Laden zu eröffnen. Er lieferte viele Arbeiten für Michael Wagner in Innsbruck. Kurz erwähnt sei hier eine Arbeit, vielleicht seine bedeutendste, und zwar die Illustrationen zu Diego Lequilles „Pietatis Austriaca“, 3 Bde. (1655-1660). Bd. 3 zeigt eine beeindruckende Darstellung des Kampfes des apokalyptischen Engels mit dem vor Innsbruck liegenden Drachen (siehe Hochenegg, Tafel VII).

Abb. 7-8: Christian Friedrich Georg a Lapide: Abbildung zu: Theatrum Honoris & Amoris, positum Glorioso Christi Athletae S. Victori in solemni Eius Translatione … Fortunato Novacellae. Brixen, 1687.
Ein weiterer guter Kupferstecher, der sich dann in Brixen niederließ, war Christian Friedrich Georg a Lapide (ca. 1665 – ca. 1720).
Die Abbildung ist nur eine von weiteren 24, die einer Predigt des Propstes Carrara von Innichen über die Einsetzung der Reliquien des hl. Viktor und dem 50jährigen Jubiläum des Priestertums des Propstes Fortunat von Troyer von Neustift am 28. August 1686, beigebunden sind.

Es ist dies zugleich sein umfangreichstes Werk, und was die Gewissenhaftigkeit der Ausführung betrifft sind ihm die Stiche doch recht unterschiedlich gut gelungen.
Als Zeichner signierte auf den meisten Abbildungen Egyd Schor (1627-1701). A Lapide stand noch ganz im Banne der reifen Barockkunst und liebte üppige Rahmungen

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Abb. 9: Johann Georg Prunner: Frontispiz zu: Maximus Christi Patientis Dolor. Augburg/lnnsbruck, 1762.
Johann Georg Prunner (ca. 1710 – 1772) war ein weiterer Künstler, dessen Arbeiten durch ihre Klarheit und ihren Fleiß Würdigung verdienen.
Die Abbildung selbst sagt nur wenig über sein eigentliches Leistungsvermögen aus. Er hat Größeres geleistet. Von ihm stammen eine ganze Menge gefälliger Heiligenbildchen, mehrere Titelblätter und Portraitstiche.
Er schuf auch einen eindrucksvollen Wandkalender für die Diözese in Brixen, dessen Rahmung eine Höhe von eineinhalb Metern aufweist. Prunner starb 1772 in Dietenheim bei Bruneck.

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Abb. 10: Cristoforo Dall’Acqua: Frontispiz zu: Betti, Zaccaria: La Pace di Mercurio. Bozen: Weiss, 1765.
Geboren und gestorben in Vicenza (1737-1787), war Dall‘ Acqua wohl auch längere Zeit seines Lebens im Trentino ansässig. Der Stich entstand 1765 anlässlich der Vermählung von Peter Leopold (1747-1792), Erzherzog von Österreich und Großherzog der Toskana, (später als Leopold II. kurze Zeit Kaiser des Römisch-Deutschen Reiches), mit Marie Luise (1745-1792), Infantin von Spanien.

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Abb. 11: Gebrüder Klauber: Joseph Sebastian (ca. 1700 – 1768) und Johann Baptist (1712 – ca. 1790) Frontispiz zu: Puell, Philipp Nerius: Heiligmäßiger Lebenswandel des seligen Hartmanni Bischofen zu Brixen in Tlrol. Brixen, 1768.
Die Erzeugnisse von meist in Augsburg ansässigen Kupferstechern standen zu den Schöpfungen der einheimischen Künstler in einem scharfen Wettbewerb. Besonders viele Abbildungen für den Tiroler Markt wurden von den Gebrüdern Klauber entworfen. Sie unterschrieben meist mit „Klauber Catholicus sculpsit A.V.“, und dieses katholische Bekenntnis mag sich bei den sonst im Augsburger Raum vielfach vorhandenen evangelischen Kunstverlagen, zumindest was den Absatzmarkt Tirol betrifft, durchaus auch als ökonomisch vorteilhaft erwiesen haben.
Die Abbildung zeigt zwei kleinere Portraits: zum einen den Gründer des Klosters Neustift Bischof Hartmann (ca. 1091-1164, Bischof seit 1140), hoch oben in den Wolken thronend, während der damals tätige Vorsteher des Klosters Leopold I. Zana von Koenigstein (1721-1787, Vorsteher seit 1767), unten auf der Erde in unmittelbarer Nähe des Klosters Neustift weilt.

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Abb. 12: Franz Sebastian Schaur: Portraitstich zu: Rathgeb, Zacharias Maria: Musterstücke geistlicher Wohlberedenheit. Augsburg: Wolf, 1769. (Josef Fürst Hohenlohe Pfedelbach, Domherr in Salzburg)
Über die Herkunft von Franz Sebastian Schaur (ein in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an vielen Orten tätiger Stecher und Radierer) lässt sich nichts Genaues sagen. Er hat zwar sehr viele tirolische Blätter geschaffen, doch scheint er immer wieder neuen Auftraggebern gefolgt zu sein, und er nennt neben Innsbruck, Brixen und Trient ebenso Augsburg, Regensburg, Wien oder Salzburg als Herstellungsorte seiner Arbeiten. Sehr bekannt wurde auch das Portrait des Innsbrucker Bibliothekars und Historikers Anton Roschmann, das er nach einem Gemälde des Franz Laktanz von Firmian stach.

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Abb. 13-14: Lorenzo Zanconti (um 1800): Beil. Zu: Historischer Versuch über die Frage: Wann zeiget sich die erste Spur der Stadt Meran? Bozen: Weiss, 1794.
Durch das Aufkommen anderer Verfahren (Holzstich, Stahlstich, Lithographie) und nicht zuletzt der Photographie, die schließlich eine beliebige Reproduzierbarkeit der Objekte mit sich brachte, versank der Kupferstich zusehends in die Bedeutungslosigkeit.

Er war ökonomisch für die meisten Künstler schlichtweg unrentabel geworden, so dass sie mitunter regelrecht gezwungen waren, ihr Augenmerk auf andere Gestaltungsweisen, häufig war es die Malerei, zu lenken.

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