Erschließung Historischer Bibliotheken in Südtirol [EHB].
Ein kulturgeschichtlicher Abriss zu den Bestandsursprüngen und Be- standsträgerschaften
Bruno Klammer
Aus: Zur Erforschung mittelalterlichen Bibliotheken. Chancen – Entwicklungen – Per- spektiven. Hrsg. von A. Rapp und M. Embach. Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, Sonderhefte H. 97. Frankfurt am Main 2009
Auf den historischen Christus folgt der literarische Christus. Die Buchstabenwerdung Christi.
Wenn Kardinal Mazarin am Morgen zur Messe ging, kam er zuerst durch seine Bibliothek. Las die Messe und führte Frankreich in einen neuen Tag. In den Inkunabel-Beständen und Frühwerken Südtirols finden sich zahlreiche Kirchenschriftsteller der Frühzeit. Solche der Ostkirche und jene der Westkirche (Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa, Chrysostomos, Origenes, Johannes Damascenus, Augustinus, Ambrosius, Gregor d. Große…). Sie waren wie Hércule de Fleury, Mazarin, Richelieu und andere nach ihnen Repräsentanten geistlicher und weltlicher Macht und Träger religiöser und ziviler Einflüsse gleichermaßen. Über ihr Schrifttum wollten sie Christus ins Wort der Zeit bringen. Dadurch aber auch die Verhältnisse der Zeit neu ordnen. Einer doppelten Apostelnachfolge sah sich der frühe Episkopat verpflichtet: die christliche Gemeinde zu führen und in der Verschriftlichung Christi auf dem Weg der Apostel und Evangelisten fortzufahren. Zum patristischen Schrifttum stößt zuerst im Orient, dann auch im Westen, dasjenige der Mönche hinzu.[1] In den Mönchsskriptorien erfolgt letztlich die literarische Reichsübertragung aus der Antike in das christliche Abendland.
Als sich nach und nach das Netzwerk der ordines, der frühen Pfarrstrukturen, herausbildete, wurde auch dieses Trägerin der christlichen Vermittlung. Das Pfarrnetz schuf aber seine Werke zunächst nicht selbst. Die bischöflichen und die klösterlichen Skriptorien gaben sie ihnen an die Hand. Eine Bestandsanalyse anhand des EHB-Katalogs bestätigt dies. [2]
Über die Skriptorien der Mönchsnetze erfolgt die Prägung der abendländischen Kultur weithin zur mönchsgeprägten Kultur. Nicht nur die inneren, auch die äußeren Lebenszyklen werden den Mönchszyklen nachgestaltet. Im EHB-Inkunabelkatalog ist diese Mönchsprägung bereits durchgehend belegt. [3]
Ein theologisches Bestandsmissverständnis
Während in der deutschen Sprachgeschichte der lutherischen Sprachleistung ein hohes Maß an Anerkennung zuteil geworden ist, fehlen erschöpfende Untersuchungen über die tiefe Sprach- und Mentalitätsprägung durch Predigt, Katechese, über Beichtpraxis, Sakramentenpastoral oder die Welt des Gebets und der Andachten im katholischen Bereich, vor allem in den nachtridentinischen Epochen. Auf plakative Weise werden die Bestände in kirchlicher Trägerschaft häufig als „theologisches“ Sonderbuchgut abgetan. Was sie auch sind. Aber nicht nur. Die Kirche der früheren Jahrhunderte ist Ansprechpartnerin der Menschen insgesamt über alle inhaltlichen Grenzen und Bevölkerungsschichten hinweg. In Predigt, Sittenlehre, Katechese, kirchlicher Feier werden alle sozialen, beruflichen und humanen Belange mitangesprochen. Aus ihren Lebenswelten bringen Ordensangehörige und Seelsorger alle Lebenszusammenhänge ihrer Zeit und ihrer eigenen Herkunft mit ein. Und befassen sich die kirchlichen Autoren in Theorie und Praxis, lokal und überregional mit diesen. Die Buchwelt der historischen Bibliotheken ist in sich „profan“ und „sakral“. Von ihren Inhaltswelten und von ihren Adressaten her. [4] Dass sie kein isoliertes Buch- und Sprachgut darstellen, sondern ein höchst prägendes, wird durch die Hintergrunddominanz lateinischer Leitwerke oft verstellt.
Mit dem Aufkommen des Buchdrucks gliedern sich die Drucker- und Verlagsoffizinen aus den klösterlichen Skriptorien aus und wechseln in bürgerliche Trägerschaft über. An die fünfzig Drucker- bzw. Verlegerdynastien lassen sich im Buchgut der EHB-Inkunabeln nachweisen. Aus den abgelegenen Abteien übersiedeln Schreib- und Buchwesen in die Stadt. Die immer stärker aufkommenden univesitären Einrichtungen und die Neuorden des 13. Jh. (Dominikaner, Franziskaner) siedeln in der Stadt und sind in ihrem pastoralen Wirken und Denken weitgehend auf die Stadtbevölkerung ausgerichtet.
Das Bucherbe vom 15. bis zum 17. Jh. weist Tirol als klassische Durchgangsroute auch in der Werkvermittlung aus. Vor allem vom oberitalienischen Raum aus, mit dem absoluten Schwerpunkt Venedig (Venedig, Padua, Mantua, Treviso, Mailand, Modena, Bologna, Rom …), wandert das Buchgut nach dem Norden, durch Trient und Tirol in den süddeutschen Raum (Augsburg, Nürnberg, Ulm, Memmingen, Hagenau; später auch Ingolstadt, München, Dillingen …), von dort ins Elsass (Basel, Strassburg ….) und über die rheinangrenzenden Länder (Mainz, Frankfurt, Heidelberg) weiter nach Norden (Köln; bald aber auch Löwen, Antwerpen, Amsterdam). Dies ist im Wesen eine habsburgisch-bayerische Buchstraße. Eine kaiserliche Buchstraße. Mit einem Seitenarm von Paris, Lyon wiederum ins Elsass und einen solchen vor allem nach Köln. Auf dieser Buchstraße wandern die Bestände auch von Norden nach Süden. Die frühen Drucker dieser in den EHB-Beständen ausgewiesenen europäischen Buchstraße sind im Italien des 15. Jahrhunderts zur Mehrheit deutsche Druckeroffizinen. Vom Buchgut aus dem Süden stammen in Südtirol im 15. Jh. 60% ca. aus solchen Offizinen, die zum Teil familiär oder geschäftlich über die Landesgrenzen hinweg miteinander verbunden waren. [5] Gute Vergleichswerte zu den Bestandsvermittlungen von Norden nach Süden und umgekehrt bieten einige Trientner Bestandskataloge zu den Inkunabeln und zu den Druckwerken des 16. Jh. (Cinquecentine). [6]
Auch ist es diese dichte Buchstraße durch Tirol, der entlang die drei großen Reformkonzilien stattfinden: Konstanz (1414-1418), Basel (1431–1438, fortgeführt in Ferrara und Florenz), und im 16. Jh. das Reformkonzil von Trient (1545-1563). Die meisten Länder dieser Buch- und Vermittlungsachse entlang werden im 16. und 17.Jh. zu Trägern der katholischen Gegenreform und bilden eine Art katholischen Buch- und Reform-Limes. Dieser bleibt auch im 17. und 18. Jh. noch stark lateingeprägt.
Das Erschließungsprojekt der Historischen Buchbestände und Bibliotheken (EHB) in seinen aktuellen Dringlichkeiten
Seit 1363 befindet sich Tirol im Territorialbesitz und Reichsverband der Habsburger. Als das habsburgische Kaiserreich 1918 zerfällt, wird Südtirol in der Folge von Tirol abgetrennt und Italien zugeschlagen. In der daraufhin einsetzenden Nationalisierungspolitik des Faschismus wurde versucht, die seit dem 19. Jh. von der Strömung des Irredentismo erträumte „natur- und gottgegebene“ Brennergrenze zur definitiven Nationalgrenze zu erheben. Durch das Intermezzo faschistischer Kulturpolitik wird die kulturelle Kontinuität unterbrochen, das historische Bibliotheksgut gerät ins Abseits und verliert seinen europäischen Zusammenhang. [7]
Erst im Zuge der Autonomieverhandlungen nach dem Zweiten Weltkrieg werden wichtige Kompetenzen von Rom wieder in die Südtiroler Landesverwaltung zurückverlagert. Um das kulturelle Erbe zukünftig besser zu sichern, wurde in der Folge das Landesdenkmalamt geschaffen und ein eigenes Landesarchiv errichtet. Diesem wurde, in Abweichung von der nationalstaatlichen Regelung, in Südtirol auch das historische Buchgut zugeschlagen. Dieses findet darin zunächst aber wenig Beachtung. [8] Einmal standen Urkunden im Vordergrund des Interesses. Zum anderen gingen von den Bestandsträgern selbst keine entsprechenden Impulse aus. Dass im Buchgut die eigentliche DNA der Landeskultur liegt, wurde erst über die EHB-Erschließung allmählich bewusst. Bücher sind Urkunden hoch vier. Der Bewusstseinsverlust bezüglich der Bestandskontinuität und der Bestandswerte war die letzte Nachwirkung faschistischer Kulturpolitik.
Die faschistische Kulturverbannung des deutschsprachlichen Buchgutes ist aber nicht der einzige Fall von Bestandsverlusten in Südtirol / Tirol. Den Klosteraufhebungen Josefs II. (1780 – 1790) fiel vieles zum Opfer. Anderes der nachfolgenden Säkularisation nach 1803. [9] Eine vollständige historische Bestandsgeographie kann erst erreicht werden über eine Bearbeitung auch derjenigen Bestände, die nach der Säkularisation (und einiges auch noch nach späteren Bestandsverschiebungen) endgültig außer Landes verblieben sind (Innsbruck, Wien, München…) und wenn diese und andere Bestandsverluste genauer umrissen sein werden. [10]
Andere Bestandseingriffe liegen noch weiter zurück und sind in Visitationsakten bereits vor und nach Luther bezeugt. [11] Im Konzil von Trient wurde dann im 16. Jh. ein Index der verbotenen Bücher festgeschrieben, und noch in den Buchinquisitionen der tirolischen Kapuziner im Auftrag des Salzburger Metropoliten sind für das 17. Buchvernichtungen bekannt. [12]
EHB-Projektdaten
Erst 1997 ergreift die Stiftung Südtiroler Sparkasse, unter dem damaligen Präsidenten Ex-Senator Dr. Hans Rubner, die Initiative und leitet für Südtirol ein Projekt zur Erschließung historischer Buchbestände und Bibliotheken nach RAK-WB, (anfänglich Katalogisierung Südtiroler Bibliotheken / KSB, gegenwärtig EHB) ein. [13] Zwischen der Stiftung Südtiroler Sparkasse und der Diözese Bozen-Brixen wird eine Vereinbarung getroffen, mit der zugleich Dr. P. Bruno Klammer mit dem Projektaufbau und der Projektleitung beauftragt wird. [14] Das Projekt wird von der Stiftung Südtiroler Sparkasse unter deren gegenwärtigem Präsidenten, Honorarkonsul RA Dr. Gerhard Brandstätter, fortgeführt. 2007 konnte EHB seine 10jährige Erschließungstätigkeit begehen. Anfang April 2008 dürfte die „magische“ Grenze von 400.000 Katalogeinträgen bzw. Exemplarsätzen erreicht sein.
Seit 2006 arbeiten im Projekt zehn Beauftragte. Mit einer Erschließungsmenge von 35.000 – 38.000 Katalogisaten pro Jahr. [15]
Bibliogamma O.N.L.U.S.
Ende 2001 wird für die Erschließungstätigkeit eine eigene Genossenschaft Bibliogamma gegründet (seit 2004 Bibliogamma ONLUS). Alle Mitarbeiter von Bibliogamma sind voll ausgebildete Akademiker, mit Studienabschlüssen in den unterschiedlichsten Fächern (Theologie, Philosophie, Germanistik, Bibliothekswissenschaften, Publizistik, Romanistik, Geschichte, Altphilologie …). Die Mitarbeiter arbeiten im Rahmen von sog. Projektverträgen, die für alle von Jahr zu Jahr neu verlängert werden müssen.
Die Gründung einer eigenen Genossenschaft hat sich als für das Gesamtprojekt sehr vorteilhaft erwiesen und hat dem Projekt nicht nur Verantwortungsautonomie, sondern in personeller, fachlicher und verwaltungsmäßiger Hinsicht eine Zunahme an Dynamik gebracht.
Bibliogamma obliegen als Aufgaben: Bestandskatalogisierung, Bestandssäuberung, Bestandskontrolle, Bestandsordnung, bei deren Fehlen Zuweisung von Signaturen bzw. Interessenkreisen, Beratung, Verankerung des Projekts im öffentlichen Bewusstsein (PR) und in der Forschung, die gesamte Projektplanung und Genossenschaftsverwaltung.
In seinen Erschließungsgrenzen orientiert sich das Projekt am Abkommen (Intesa) der italienischen Bischofskonferenz (CEI) mit der italienischen Regierung hinsichtlich archivalischen Beständen und historischem Buchgut. Das Abkommen wurde drei Jahre nach Inangriffnahme des Erschließungsprojekts der Stiftung Südtiroler Sparkasse (1997) im Mai 2000 geschlossen. [16] Man kann heute ohne weiteres sagen, dass EHB in Italien eine gewisse Vorreiterrolle zukommt. In der sog. Intesa wird als „patrimonio storico librario“, als historisches Bucherbe, alles bestimmt, was 70 Jahre (später auf 50 Jahre ausgeweitet) vom Erschließungsdatum aus zurück liegt und entsprechenden (dokumentarischen, wissenschaftlichen, kulturellen …) Erhaltungswert besitzt. Für Sonderbestände (Nachlässe von Persönlichkeiten, Künstlern, Fachsammlungen …) gibt es keine Zeitgrenze. [17]
Um am Ende für Öffentlichkeit und Forschung abgeschlossene Bestände zur Verfügung zu stellen, erfasst Bibliogamma die Bestände in „lebenden“ historischen Bibliotheken bis zum Erschließungsdatum herauf. Dies vor allem dort, wo den Bestandseigentümern Mittel und Fachpersonal zurzeit fehlen. [18]
Anhänge werden im Projekt mit Sonderfaktoren verrechnet. Je nach Bestand schwankt die Anhängequote 2007 zwischen 30% und 60% (60% und mehr in Netzen derselben übergeordneten Trägerschaft, z. B. in den Konventen des Kapuzinerordens, von dem bereits sieben Konventbibliotheken erfasst sind).
Erschließungsdokumentation
Ein erheblicher Anteil an Mitteln und Projektarbeit fließt in die wissenschaftliche Aufbereitung und Darstellung der erfassten Bestände. Daraus entsteht eine erste Bibliotheksgeschichte des Landes in einem übergeordneten Zusammenhang. Sonderbestände (Tirolensien, Inkunabeln, besondere Wertbestände) werden vertieft erschlossen und dargestellt.
Es war von Anfang an die Absicht, mit Fachkräften zu katalogisieren, welche nach ausreichender Bestandserfahrung auch zur inhaltlichen Erschließung befähigt sein würden und die Bestände in ihren sozialen, historischen, kulturellen Zusammenhängen zu erfassen und darzustellen in der Lage sein würden. Nur unter dieser Perspektive würde ein regelmechanischer Durchlauf zugleich in eine interessierte und sensible Bestandswahrnehmung münden und mit einer solchen verwachsen. 2006 konnte mit dem ersten Erschließungsband der Reihe Historische Bibliotheken in Südtirol begonnen werden. Inzwischen liegen vier Bände vor, Band 5 befindet sich in Druckvorbereitung, an den Bänden 6 und 7 wird gearbeitet. Weitere werden folgen. [19] Im Jahre 2007 flossen zwischen 28 – 31 % der EHB-Mittel für Zusatzleistungen in die Erschließungsdokumentation (Erschließungsberichte, Homepage, wissenschaftliche Beiträge …). Alle Daten zur Erschließungsserie sind auf der Projekt-Homepage www.ehb.it abrufbar.
Erreichte Projektziele
In den 70er Jahren war die engagierte Öffentlichkeit mehr und mehr alarmiert von der Auflösung ganzer Bibliotheken und dem Auftauchen von Landesbeständen in Antiquariatsangeboten. Im Zuge von Umbauarbeiten (Pfarrhäusern, Klöstern …), Klosterauflassungen, Veräußerungen, Entsorgungen aller Art ging vieles verloren. Mit dem Einsetzen von EHB konnten dergleichen Bestandsabgänge weitgehend gestoppt werden.
Gleichermaßen stand die Frage der Dubletten zur Regelung an. Unbedarfte Bibliothekare hatten inzwischen begonnen, Dubletten als wertlosen Doppelbestand bzw. als überflüssigen Standortballast auszuscheiden. Dabei waren sie fachlich zumeist nicht in der Lage, zwischen Originalen, inhaltlich oder in Textpartien veränderten Nachdrucken, Raubdrucken etc. zu unterscheiden. Einmal besitzen Dubletten häufig wertvolle Zusatzinformationen (Bild- oder Hand-Exlibris) über Vorbesitzer, Sponsoren und Legate. Dazu kommen häufig Textanmerkungen (Glossierungen) oder Einträge irgendwelcher Art. Die Epochen- und Verbreitungsdichte der Nachdrucke ist darüber hinaus aussagekräftig über Benutzerdichte, Dauer der Benutzung u. v. a., das uns wichtige Daten für die Prägeintensität von Werken und Werkströmungen vermittelt. Für die mentalitäts- und prägegeschichtliche Forschung ist die Rekurrenz von Leitwerken geradezu entscheidend. Durch die Ausscheidung ging somit wertvolles Informationsmaterial verloren. Dieser Tatbestand konnte mittlerweile besser bewusst gemacht werden. Während in Dorf- und Stadtbüchern bisher oft ganz nebensächliche Kulturrelikte vermerkt wurden, fehlen zum Beispiel die Hinweise auf wertvolle Bibliotheksbestände überhaupt.
Bei den Bestandsträgern selbst und in der Öffentlichkeit konnte nach und nach ein breiteres Interesse geweckt werden, und in Forschungsarbeiten wird auf die Bestände wieder Bezug genommen. [20] Je weiter der Bestandskatalog fortschreitet, umso mehr eröffnen sich Felder und Themen für echte Diplom- und Forschungsarbeiten.
Die Bestandserhaltung dient letztlich dem Eindringen in die tiefere Geschichtswerdung und dem Durchdringen der gesellschaftlichen und kulturellen Abläufe des Landes. So können über das Projekt Strömungen, Strömungsträgerschaften und kulturbestimmende Kollektivs ausgemacht werden, die sich von ihren bisherigen Bildern über sie wesentlich entfernen. Hinter dem berg- und mentalitätsgeschlossenen „katholischen“ Tirol etwa des Jahres 1809 liegen viele andere Sachwelten und Mentalitätsschichten. Ähnliches gilt für alle Epochen der Landesgeschichte. Darauf wollen die Erschließungsberichte wenigstens ansatzweise mitverweisen (Reformation – Gegenreform, kontroverse religiöse Strömungen, Jansenismus, Einflüsse aus Frankreich, Spanien…, Aufklärung, Säkularisation, Liberalismus und zahlreiche andere politische, soziale und kulturelle Abläufe, die das Land in seiner Gesamtheit zu mitprägenden Faktoren geworden sind). Die Bestände sind ganz allgemein, und dies nicht nur für Tirol, zugleich das kritische Korrekturmaterial gegenüber Verdrängung, Verschwiegenheit, Einseitigkeit, Identitäts- und Bewusstseinsverluste. Prägnanter formuliert: gegen die Erosion des Bodens, in dem Landesgeschichte und Landeskultur wurzeln.
Aus dieser Erkenntnis kommt das Bemühen, EHB mit einem Forschungsetat auszustatten und ihm eine Forschungsschiene an die Seite zu geben. Einen ersten Ansatz dieses Bestrebens bildet die Erschließungsserie zu den EHB-erfassten Beständen.
Dem Projekt steht von Anfang an ein Beirat beratend zur Seite, aus Vertretern der öffentlichen Verwaltung und von Verantwortlichen im Buch- und Bibliotheksbereich, der Diözesanverwaltung und der Bestandsträgerschaften. Vor allem von Seiten des Beirats ist das Forschungsinteresse in den letzten Jahren besonders mitgeweckt worden. Beiratsvorsitzender ist zur Zeit Dr. Armin Gatterer, ein leitender Beamter der Südtiroler Kulturabteilung.
Nicht zuletzt entsteht allmählich ein verfügbarer Themen- und Bestandsfundus für Diplomarbeiten und Forschung.
Die Bestandsdialektik
Unterschiedliche Bestandsausrichtungen verweisen auf unterschiedlich gelagerte Trägerschaften. Gerade die so wenig geschätzten Predigtwerke früherer Jahrhunderte bieten eine Fundgrube der Sprachgeschichte und führen über die klassischen Literaturtexte hinaus in die Sprache einer weit allgemeineren Mentalitätsgeschichte. Hinter den Leitwerken aus dem 13. Jh. steht eine lebhafte Dialektik Stadt – Land, Armutsorden – Territorialorden, franziskanische Scholastik – thomistische Scholastik. Innerhalb der Neuorden der Dominikaner (OP) und Franziskaner (OFM) beispielsweise spielt die Dialektik Civitas Dei – Civitas terrena keine so spannende Rolle mehr, denn sie leben außerhalb des landwirtschaftlichen Güterbesitzes und der profanen Machtverantwortungen. Wertvolle Vergleichsmaterialien dafür finden sich in den unterschiedlichen Signatursystemen der Kapuziner Zentralbibliothek Brixen und von Kloster Neustift. [21] Ohne Güterbesitz, und daher auch nicht mehr der stabilitas loci, der Bindung an einen einzigen Konvent, verpflichtet, orientieren sich die Neuorden rasch an den pastoralen und sozialen Belangen ihrer jeweiligen Umwelt und wenden sich den universitären Ausbildungsstätten zu. Von der Stadt aus, wo die Neuorden siedeln, wird die Dialektik Bürger und rusticus (Landbewohner) neu entfacht. [22] Die Wurzel der Bauernkriege des 16. Jh. liegt bereits in den Ausgliederungen des 13. Jh. und werden in den klösterlichen Stadtgründungen und an den Buchbeständen der Neuorden gut greifbar.
Von den Bemühungen des 4. Laterankonzils (1215) bis herauf zu Sessio 33, Kap. IV. des Konzils von Trient reicht das Bestreben, auch den Pfarrklerus in den Bildungsprozess vermehrt einzubinden. Wer nicht lesen und schreiben kann, sollte zum Priestertum nicht zugelassen werden. [23]
In einem guten Drittel der Pfarreien in Südtirol haben sich geringere bis größere Bestandswerte erhalten (im „unteren“ Extrem ein paar Dutzend Exemplare, im Mittelfeld liegen Bestände zwischen 700 – 3.000 Exemplaren, z.B. in Dekanaten). Den spätmittelalterlichen Rechtsgeltungen nach fielen Buchgut und Hinterlassenschaften pfarrherrlicher Pfründeninhaber an Vögte und Richter und wurden von diesen eingezogen. Zum freien Verfügungsgut wurden sie erstmalig für die Stadtpfarrei Bozen und einige Pfarreien der Diözese Trient durch das Testierprivileg Bischof Alberts von Trient im Jahre 1387. Dies bedeutet den Ursprung von in der Pfarrverfügung verbleibenden Bestandsanlagen (Pfarrbibliotheken) im Tiroler Raum. [24]
Die europäische Rückbindung der Bestände
EHB betreibt europäische Bucharchäologie. Einen Ausschnitt davon. Der Kampf um das Buch ist ein Ringen um Bewusstseinsgeschichte und Kulturidentität. Bewusstseinsrückführung in die europäischen Kontexte.
Im Unterschied zu viel verbreiteten Annahmen, spiegelt das EHB-erfasste Buchgut rege Auseinandersetzungen wider. Etwa im Ringen Reformation und katholische Reform.
Nach den Buchströmungen und Buchzufuhren beurteilt, muss sich die viel besprochene Bindung und Liebe zwischen Kaisertum und Papsttum sehr in Grenzen gehalten haben. Rom ist über weite Epochen ein sehr beschränkter Buchlieferant, und dann nur in sehr beschränkten bzw. sehr spezifischen Inhaltsbereichen (kirchenrechtliche Bestimmungen, liturgische Werke, von Rom favorisiertes Werkgut, wie z. B. jenes von Robert Bellarmin, dem Generalinquisitor der römischen Zensurbehörde, das selbst in den Pfarrbeständen noch häufig nachweisbar ist). [25]
Für das Netzwerk der Pfarreien ergibt eine Bestandsanalyse den übermächtigen Einfluss der jesuitischen Autoren über zwei Jahrhunderte bis zu deren Aufhebung (1773). Nach 1600 bildet sich ein sehr volksnahes Netz von Kapuzinerniederlassungen heraus. Diese vermitteln ihre Leitwerke an die Pfarrbestände weiter. Und können auch als die wichtigsten Promulgatoren jesuitischen Schrifttums gelten. Unter Josef II. von Aufhebungen betroffen und in ihrem Bestand bedroht, wurden sie in den Auseinandersetzungen mit Frankreich als sehr volksverbundene Prediger und Seelsorger (Beichtseelsorge, Volksmissionen, Pfarraushilfen …) von der Regierung erneut intensiv eingesetzt (vor allem auch als Militärkapläne) im Abwehrkampf gegen Franzosen und Bayern. Denn sie halten das Machtinstrument der Volkspredigt und der Volksrede in der Hand. Und dessen bedarf die Monarchie für ihren Abwehrkampf in den napoleonischen Auseinandersetzungen. [26]
Die Bestände weisen im Wesentlichen alle großen Dialoge und Dialektiken des christlichen und zivilen Abendlandes aus. Die religiösen, philosophischen, wissenschaftlichen und juridischen ebenso wie die Gestaltungsauseinandersetzungen in den unmittelbaren Lebensbereichen. Von Frankreich schlagen die großen jansenistischen kirchlichen und staatlichen Auseinandersetzungen ebenso herüber wie die formalen Vorbilder der großen barocken Kanzelrede und der Fürstenerziehung. [27] Außerdem steht Reichsrecht in ständiger Fehde mit kirchlichen Rechtsordnungen. Kirchengeschichtliche Sichtweisen konkurrieren mit Profangeschichte (in den Signaturen: Historia ecclesiastica – Historia profana/civilis). Und bisweilen ist, nach den Bestandslagen zu schließen, Tirol das Habsburgerhemd näher als der vatikanische Ornat. Was in Europa geschieht, gedacht und worum gerungen wird, findet seinen Weg über die Alpen und nach Tirol. Anhand der historischen Buchbestände ist vieles aber umzuschreiben und aus romantischen und unzureichenden Darstellungen herauszulösen.
Bestandskataloge und Bestandssignaturen
Vom Reichenauer Rotulus von 822 mit 415 verzeichneten Codices führt ein weiter Weg bis zu den Digitalkatalogen Ende des 20. und Anfang des 21. Jh.
Alte Signaturbegriffe wie scientia, ascesis, scriptores (scriptores ecclesiastici, Autoren der Antike, Geschichtswerke …), artes, bibli(c)a, praedicatio, theologia tauchen ab dem 18. Jh. auf als Naturwissenschaften, Askese und Spiritualität, Kunst und Kunstgeschichte, Homiletik, Bibelwissenschaften und Exegese, Dogmatik (Apologetik, Kontroverstheologie, Fundamentaltheologie). Das signaturursprüngliche scientia in der scholastischen Begriffsbestimmung taucht im Bestand Kaltern z. B. auf als „Naturwissenschaft(en)“ und umfasst dort Biologie, Geographie, Botanik, Mathematik etc. [28] Aus der Hagiographie gliedern sich die „Biographien“ aus. „Theologie“, die in den älteren und ältesten Autoren theologische und ethische Aspekte noch ineinander verwebt und sieht, differenziert sich nicht nur zu den beiden Hauptdisziplinen „Dogmatik“ und „Moral“ (Ethik), sondern zu einer ganzen Reihe Unterdisziplinen im modernen Fächerkanon aus. „Artes“ (artes liberales) wird in missverständlicher und verkürzter Weise „Kunst“, aus scriptores werden in den verschiedenen Beständen unterschiedliche „Literatur(en)“ (kirchliche, profane, antike, englische, französische …, Ordensliteratur und andere). Zum Teil in Eigensicht der Trägerschaften, zum Teil aber auch im Anschluss an die allgemeinen universitären Fächerkanones, und im Gemeinschaftsgang mit diesen, differenzieren sich die Signaturwelten aus. Anhand der Signaturen und Katalogsysteme ließe sich der mentalitätsgeschichtliche Werdegang neu schreiben. Signaturen kennzeichnen den Wandel in den kirchlichen, aber nicht nur kirchlichen Weltbildern und sind Weltbildindikatoren. Aus dem Vier Fakultäten – System (Theologie – Philosophie – Recht – Medizin) werden nach und nach die fächer- und signaturreicheren Kataloge und Karteien gemäß den universitären Lehrstühlen des 19. Jahrhunderts.
Die Pfarrbibliotheken sind in ihren Signaturanlagen zumeist in vereinfachender Form den Klosterbibliotheken nachgestellt. Zwischen den „Franziskanersignaturen“, insbesondere jenen der Kapuzinerklöster, und den Pfarrsignaturen bestehen auffallende Signaturverwandtschaften. [29] Leitwerke kapuzinischer Prägung, wie etwa Thomas von Charmes (OFMCap, 1703 – 1757) finden sich deshalb in Pfarrbeständen stark verbreitet. [30]
Leitwerke der Predigt und Katechese, Werke im Dienste der sittlichen Verhaltensprägung finden sich in Klöstern und Pfarreien gemeinsam. [31]
Aus der Bestandsstärke von Werken, die unter einer Signatur in den Pfarrbibliotheken stehen, lassen sich zahlreiche Schlüsse über den schwerpunktmäßigen Wandel in der kirchlichen Prägung ziehen. Im Gefolge des Konzils von Trient nehmen historische Autoren auf auffällige Weise zu: Flavius Josephus, M. Flacius, Baronius, Alexander Natalis, Claude Fleury, G.D. Manci, L. Muratori, August Calmet, I. H. Amat de Graveson, A. H. Bérault-Bercastel bis herauf zu F. L. Stolberg. Der Hintergrund dieser Zunahme ist ein Wandel in den apologetischen Auseinandersetzungen um den Legitimitätsanspruch der christlichen Tradition: Wer vertritt die apostolische Sukzession? Eine Frage, die über die historische Darstellung und Argumentation leichter zu vermitteln war als auf dem Wege der dogmatischen Darlegung.
Epilog
Unter den Angeschriebenen der Bibliotheksumfrage von Wolfgang Müller 1982 waren auch Südtiroler Bibliotheken. Keine einzige der angeschriebenen Bibliotheken in kirchlicher Trägerschaft im gesamttirolischen Raum hatte damals Daten an die Umfrage zurückgemeldet. [32] Weder waren die Bestände entsprechend aufgearbeitet, noch war das einstige Bestandsbewusstsein wieder so zurückgewonnen, dass irgendeine Datenmitteilung überhaupt angedacht werden konnte.
Aus für das Land kulturkritischer Zeit (1933) stammt die prophetische Sicht A. Dörrers, dass für die kulturgeschichtliche Forschung in der Zukunft ein Bestandskatalog von entscheidender Bedeutung sein würde. [33] Ein Edv-Katalog ist eine Suchmaschine universaler Reichweite. Das Buch selbst ersetzen virtuelle Kataloge auch dann nicht, wenn ein Werk etwa als Ganzes in Google gestellt ist. Ohne Rückgriff auf die Werkhintergründe und die Kontexte der europäischen Zusammenhänge entschleiern sich Inhalte nicht. Wir blicken auf, und das Panorama liegt vor uns. Das Panorama liegt aber auch hinter uns, in unserem Rücken. Im EHB-Katalog in Sponsorschaft der Stiftung Südtiroler Sparkasse blättern wir voraus und entwerfen Grundlagen für die Zukunft. Wir blättern zurück und verbinden die Krone der Gegenwart mit ihren Wurzeln im Erdreich des Bisherigen. Der Rückgriff auf das Bucherbe ist ein Rückgriff auf die DNA einer, bzw. unserer, Landeskultur. [34]
Die statistischen Vergleiche zum erhaltnen Buchgut weisen für das 16. Jh. eine unerwartete Explosion des gedruckten Buchwesens aus. In der Propsteibibliothek Bozen stehen 35 Inkunabeln 1.466 Werke des 16. Jh. gegenüber. Das bedeutet 0.3% zu 11%, auf den Gesamtbestand von 13.577 Werken bezogen. Das ist ein Anstieg um das 42-Fache. Für die Klosterbestände Kaltern und Kloster Lechfeld sind die Zuwachsverhältnisse das 18,5-Fache bzw. das 14,4-Fache (immer auf die aktuell erhaltenen Bestände bezogen).
Aus anderen Vergleichen ergeben sich andere aussagetypischen Statistiken, zum Beispiel über den Wandel der Sprachverhältnisse (lateinisches Schrifttum – deutsches Schrifttum u. a.); oder über die Zunahme territorial bezogenen Buchgutes (Tirolensien) ab dem 16. Jh. Oder etwa: die wachsende Einflussnahme bestimmter Druckorte (Innsbruck, Dillingen, Augsburg, Ingolstadt, Salzburg, München …., später auch Graz, Wien ….). Bestandsmengen und Bestandsstatistiken sind in der Literaturgeschichte im Allgemeinen noch nicht ausreichend untersucht. Obwohl gerade sie gesicherte Aussagewerte in vielerlei Hinsicht bieten. Nach Abschluss des EHB-Katalogs die zahlreichen statistischen Werte zu besitzen, ermöglicht, viele weitere Aspekte der Landeskultur aufzudecken und entsprechend zu belegen. [35]
Inzwischen zieht die Reichweite des Projekts auf mehrfache Weise weite Kreise, da die Abrufdaten über die diversen Projektzugänge (EHB, Freie Universität Bozen, Virtueller Katalog für Theologie und Kirche (VThK), über die Netze der erschlossenen Bestandsträgerschaften) ständig zunehmen und bereits mehrere Forschungsarbeiten zu Sonderfragen und Teilbeständen in Angriff genommen worden sind. Was wie dürres Geäst ausgesehen haben mag, hat von lebendigen Wurzeln her auszuschlagen begonnen.
Anmerkungen
[1] Lexikon für Theologie und Kirche (LTHK) Bd. 7 (1962), Sp. 543-548.
[2] Dazu vgl. den Übergang der mönchischen Tarifbuße aus den frühen Beichtsummen Finnians v. Clonard (+549), Kolumbans (+615), Bedas (+735) u. a. Lit.: W. H. Waschleben, Die Bußordnungen der abendländischen Kirche, Neuauflage Graz 1958. Ähnlich wird das Stundengebet der Mönche zum Breviergebet ganz allgemein (vgl. dazu die auffallend häufigen Psalmenwerke in den Katalogbeständen des 15. Jh. u. ff..
[3] Beispielsweise setzen sich im kirchlichen Jahreskreis und in der kirchlichen Liturgie immer stärker Ordensheilige durch und übernehmen christlichen Leit- und Vorbildcharakter.
[4] Eine erste Grundlegung der Aufspaltung zeigt sich in den frühen Doppelsignaturen Historia ecclesiastica (sacra) – Historia profana oder Jus ecclesiasticum – Jus civile (profanum). Dazu: Erschließung Historischer Bibliotheken in Südtirol, Bde. 2-5 (deutsch-italienische Bilinguen), spezif. unter „Kataloge und Signatursysteme“.
[5] Für Venedig z. B.: Vindelinus de Spira (von Speyer), Franz und Petrus Hailbrun, Johannes Herbort, Joannes de Colonia (v. Köln), Erhard Ratdolt (druckt unter anderem Rolevinck), Nikolaus de Francofordia (v. Frankfurt), Herman Liechtenstein, Bartholomaeus de Zanis, Johann Volkart, Joh. Hamman, Leonhard Aurl u. a.; für Rom: Stephan Planck, Vitus Puecher, Georg Herolt, Eucharius Silber u.a.; für Vicenza: Koblinger; ist im Lexikon für das gesamte Buchwesen, Bd. 4, Stuttgart 1995, nicht verzeichnet; für Mailand: Scinzenzeler Ulrich, Leonhard Pachel; für Bologna: Joh. Walbeck, Bartholomaeus von Utrecht; für Padua: Matthaeus Cerdonis (Windischgrätz, Kärnten); für Treviso: Bernhard von Köln, Gerhard de Fiandra (Flandern); für Mantua: Johann Schallus (Schaller); u. a.
[6] Anna Gonzo, Gli Incunaboli e le Cinquencentine della Parrocchia di S. Maria. Maggiore
di Trento, Trento 1988. In der Reihe „Patrimonio storico et artistico di Trento“ finden sich weitere Bestandsbeschreibungen (Beatrice Niccolini, Bestände des Gymnasium-Lyzeums Govanni Prati, 1995; Anna Gonzo u. Walter Manica, Inkunabel- und Cinquecentine-Bestände der Stadtbibliothek und der Accademia degli Agiati von Rovereto, 1996; Lino Mocatti – Silvana Chisté, Bestände der Zentralbibliothek der Kapuziner von Trient, 1993 u. a.) mit wertvollen Vergleichsmaterialien.für Südtirol/Tirol.
[7] Vgl. W. Garber, Die historische Bibliothek des Stadtmuseums Meran (dt. und ital.) (= Erschließung Historischer Bibliotheken in Südtirol, Bd. 1), Provinz Verlag Brixen 2006.
[8] Eine Ausnahme bildete die Neuordnung und Vorkatalogisierung der Propsteibibliothelk Bozen, im Auftrag des Landesarchivs 1995-1996.
[9] Klosteraufhebungen infolge des Reichsdeputationshauptschlusses 1803 zu Regensburg
RDHS, § 35).
[10] Vgl. den Fall Kloster Neustift: Martin Hermann Peintner, Die geistesgeschichtliche
Bedeutung der Stiftsbibliothek, in: 850 Jahre Augustiner Chorherrenstift Neustift, Brixen 1993, 112-133; u. a.
[11] A. Trenkwalder, Der Seelsorgeklerus der Diözese Brixen im Spätmittelalter, Bd. 1 (Brixen 2000), spez. 90-111; Bd. 2: Der Seelsorgeklerus der Diözese Bozen-Brixen im 16. Jahrhundert (2003), vor allem im allgemeinen Teil der Einführung, 6-56, 112 ff. u. a. a. O.
Die Liste der verbotenen Bücher umfasst in der Ausgabe der Trientner Konzilsakten und Dokumente von 1638 (Venedig, Apvd Ivntas) mit einer Praefatio in Indicem die SS. 377 – 455.
[12] Agapit Hohenegger, Die Geschichte der Kapuziner=Ordensprovinz (1593 – 1893), Bd. 1, Innsbruck 1913, spez. 684 – 712 (Kpp. 20 u. 21, Missionstätigkeit; insbes. der Bericht von P. Mansuet Meges 1687 über die Glaubenszustände in einem Teil der Diözese Salzburg)
[13] Homepage mit den entsprechenden Datenmaterialien unter www.ehb.it. Ursprünglich
befindet sich das Projekt in der Verwaltungsträgerschaft des Südtiroler Bildungszerntrums (bis 2001).
[14] Veröffentlicht in Folium Dioecesanum der Diözese Bozen-Brixen 1998/Nr. 4, 183 f.
[15] Dazu ist ein Folder mit den neuen Projektdaten in Vorbereitung. Dieser ist nach
Drucklegung über das EHB-Netz abrufbar.
[16] D.P.R. vom 16. Mai 2000, Nr. 189 (Intesa) und D.P.R. vom 04. Febr. 2005, Nr. 78, mit
weiteren Ergänzungen (auch durch Landesgesetze).
[17] D.P.R. 189, Art. 5,2.
[18] Vgl. D.P.R. 189, Art. 6-8; dazu: Ergänzungs-Allegat A vom 18.04.2000.
[19] Serie „Erschließung Historischer Bibliotheken in Südtirol (EHB) – Censimento delle Biblioteche Storiche dell’Alto Adige (EHB)“, Provinz Verlag Brixen 2006 ff. Die Serie erscheint als deutsch-italienische Bilingue.
[20] Medienberichte zum Projekt s. unter www.ehb.it.
[21] Die Bestandsaufarbeitung der Zentralbibliothek der Kapuziner in Brixen ist inzwischen
abgeschlossen und wird in einem der Folgebände dargestellt werden. Die Bestandserfassung in Kloster Neustift dürfte noch vor Mitte 2009 zum Abschluss kommen.
[22] Weder verweist LThK, Bd. 7 (1962), Sp. 1347 auf den Ausdruck „paganus“, noch verzeichnet LThK, Bd. 9 (1964). Sp. 123 das Wortfeld „rusticus, rusticitas“, ein Wortfeld von großer Bedeutung in der christlichen Kulturausformung. Nur als Name von Heiligen findet sich die Bezeichnung. Das LThK. bleibt somit hinter Du Cange, Glossarium ad Scriptores Mediae et Infimae Latinitatis zurück (Du Tournes, Basel 1762, t. III, Sp. 861f).
[23] Sacrosancti Concilii Tridentini Canones et Decreta, Apvd Ivntas, Venedig 1638; spez. S. 133. Zum Buchgut in Pfarrnetzen: A. Trenkwalder, Der Seelsorgeklerus der Diözese Bozen-Brixen im Spätmittelalter, Brixen 2000, und: Der Seelsorgeklerus der Diözese Bozen-Brixen im 16. Jahrhundert, Brixen 2003 (passim).
[24] Nicht, wie häufig überliefert, von Herzog Albrecht von Österreich. Dazu: Hannes Obermair, Die Bozner Archive des Mittelalters bis zum Jahre 1500, ungedruckte Dissert., Innsbruck 1986, S. 508.
[25] Die Dringlichkeit, die Pfarrbestände auszubauen und sie noch stärker der Visitationspflicht durch die Bischöfe zu unterwerfen, wird nicht allein von der Reformation her verständlich, sondern ebenso dringlich von überraschenden innerkirchlichen Visitationsergebnissen her, wie sie uns beispielsweise in der Brixner Diözesansynode von 1577 vorliegen, in welcher von 149 befragten Geistlichen nicht einmal die Hälfte alle sieben Sakramente aufzuzählen vermochte und andere keine Beichtformel (Lossprechungsformel) kannten (dafür viele aber ihre Konkubinen und ihre Kinder offen angaben).
[26] Im Katalog der Kapuziner von P. Cassian Neuner, Literarische Tätigkeit in der
Nordtiroler Kapuzinerprovinz , Innsbruck 1929, finden sich zahlreiche Autoren, welche die Predigtmächtigkeit der Kapuziner belegen: 1716 besitzt die Tiroler Kapuzinerprovinz 185 hauptamtliche Prediger und 28 hauptamtliche Beichtväter und besetzt fast alle führenden Kanzeln in Tirol; dazu: A. Hohenegger, Geschichte der Tirolischen Kapuziner=Ordensprovinz (1593-1893), Bd1. Innsbruck 1913, Bd. 2 1915; spez. Bd I, 645; im Literaturverz. von Cassian Neuner s. insbesondere unter P. Albert Complojer u. a. Zur Feldseelsorge der Kapuziner s. A. Hohenegger, I 681 ff; II 219 – 279.
[27] Zum jansenist. Schrifttum s. Erschließungsberichte, vor allem Bd. 5 zur Propsteibibliothek Bozen (mit vielen jansenistisch geprägten Autoren). Zur Auseinandersetzung mit mit dem Jansenismus und der Bulle Unigenitus von Papst Clemens XI. in Frankreich: Die Bulle wurde auf Ersuchen Ludw. XIV. vom Papst erlassen und 1730 unter Kard. Hércule de Fleury zum Staatsgesetz erhoben und spaltet Kirche und Episkopat in Frankreich in zwei Lager.
[28] Erschließungsserie EHB, 3 (2007), 32 ff. Der Bestand umfasst dort 428 Werke.
[29] Zwischen 1997 und 2002 wurden alle Pfarreien der Diözese Bozen-Brixen vor 1938 nach ihren historischen Buchbeständen gesichtet und protokolliert. Die Aufarbeitung der Pfarrnetze ist erst in einigen wenigen Fällen geleistet.
[30] Theologia universa, vereinzelt auch als Theologia universalis bezeichnet, wird 1757 vom Orden als Lehrbuch aller Ausbildungsstätten des Ordens empfohlen. In seiner inhaltlichen Ausrichtung folgt sie z. T. jansenistischen und molinistischen Anschauungen und spiegelt die engen Kontakte zwischen OFMCap und SJ ab dem 17. Jh. wider.
[31] Illustrativ dazu sind in den Beständen häufig dieselben Leitwerke für Bußpraxis und Beichte. Zur großen Bedeutung der sittlichen Prägung über die Beichte vgl. die
Beichtstatistik des Ordens von 1658. Sie weist für nachstehende Kapuzinerkonvente z.B. folgende Zahlen aus:
Bozen: 158.000 Beichten (im angegebenen Jahr)
Neumarkt: 67.000 Beichten
Bruneck: 245.000 Beichten
Brixen: 186.000 Beichten (Statistik: Hohenegger I, 650 ff.)
Dazu kommen sehr viele weitere pastorale Tätigkeiten. Über die Tätigkeit der Orden gelangen auch deren theologischen und pastoralen Leitwerke mit in die Pfarrbestände.
[32] W. Müller, Die Drucke des 17. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum. Untersuchungen zu ihrer Verzeichnung in einem VD17, Harrassowitz Wiesbaden 1990.
[33] Anton Dörrer, Etschländer Buchwesen und Geistesleben, in: Der Schlern, 14 (1933) X, 79.
[34] Zur religiösen und zivilen Alphabetisierung Europas s. H. J. Martin,Histoire et pouvoirs de l’écrit, Perrin Paris 1996 /2. ; W. Schubart, Das Buch bei den Griechen und Römern, Schneider Heidelberg 1962 /3°.
[35] Zum Zeitpunkt der Drucklegung (Mitte Februar 2009) ist der EHB-Katalog auf ca. 440.000 Katalogisate angewachsen und die Projektdaten müssen anhand der Angaben auf der Projekt-Homepage (www.ehb.it) aktualisiert werden.